Es reicht jetzt

Ich werde öfter mal laut, wenn mein Sohn (2) in seinen geschickten Manövern in all jenen Gefilden umherforscht, die wir ihm strikt untersagen, während er die offene ihm geschenkte Spielzone gezielt verweigert und offenbar abgestanden findet.
Sein neuestes Abwehrmanöver hat er gezielt von mir kopiert und hält es mir so gelassen entgegen, dass ich mir mit meinem Ärger wirklich ordentlich blöd vorkomme.
Er sagt: Es reicht jetzt.
Was soll ich da noch sagen.
Er hat recht. Ich stehe da und bin der Erziehungsberechtigte (40).
Und heimlich bin ich stolz, dass er so fest und sanft gleichzeitig ist, während ich (noch) hin und her pendle. Ich liebe ihn dann noch mehr und ganz anders, wenn er mich wahnsinnig macht.

Erziehungsmüdigkeit

Bei aus Schlaflosigkeit resultierender Anspannung verschieben sich in meinem Nacken einzelne Wirbel, die einen hauchigen unscheinbaren jedoch beträchtlich nagenden Nervenschmerz in meinem Kopf auslösen, der mich so langsam am Rande des Wahnsinns balancieren lässt wie auf dem Grat eines Berges. Ein Windstoß könnte reichen.
Gelegentlich summiert es sich und dann bin ich darauf aus, jede Unze Schlaf zusammenzusammeln wie das Geld für den Fahrscheinautomaten. Um zumindest eine kompakte durchgängige Menge ohne weitere Zwischenstopps zu erhalten.

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Von einer Hausgeburt

Meine Frau wünschte sich von Anfang an eine Hausgeburt und ich, der mehr und mehr die Geheimnisse natürlicher artgerechter Lebensgestaltung abseits stereotyper und gelenkter Massenrituale entdeckte und leben wollte, konnte mich darüber nur freuen. Sie las Bücher von und über Frauen, die ihre Kinder alleine zu Hause oder auch im Wald auf die Welt gebracht hatten, in tiefer spiritueller Überzeugung, in Demut und Glauben an ihre innere Kraft. Auch ich fing an, vergriffene und nicht mehr neu aufgelegte Literatur von Hebammen, die Hausgeburten empfahlen und betreuten, zu lesen. Still und leise ist das Ritual der Geburt in einen halbstandardisierten traumatischen Krankenhausablauf umroutiniert worden, das sich der moderne technokratische Mensch kaum noch anders vorstellen kann. Berichte über Kaiserschnitte und Betäubungen, weggeschlossene Männer etc. werden unreflektiert als Erfahrungsberichte hingenommen und ja, vielleicht hat es nicht anders sein mögen.
Vielleicht aber doch, sofern es der Wunsch und die tiefe Überzeugung der Frau ist. Dieses Terrain kann von einem Mann nicht anders betreten sondern nur demütig begleitet werden. Im Grunde kann er nur da stehen und zusehen, staunen und bezaubert sein, welche Wunder abseits gesellschaftlicher Normen zu finden sind, wenn man fest daran glaubt und vertraut. Beides spürte ich sehr stark in meiner Frau und ich freue mich sehr, hier als Mann darüber zu schreiben.

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Vater sein dagegen sehr*

Wenn ich ihn neben mir sitzen habe in der Badewanne in Mandelölwasser, da erscheint es mir so unbegreiflich, dass nicht nur ich einen Sohn habe sondern dass mein Sohn auch mich hat, einen Vater und dieser Begriff täglich so neu dahergerollt kommt, so dass ich mich abwechselnd fürchte und freue bei dieser Aufgabe, bei dieser Rolle, bei diesem Mysterium, denn ich will mir weder vorstellen ohne ihn zu sein noch dass er ohne mich ist. Ich möchte einfach da sein, da, da, dieses Da ist meine gesamte Aufgabe, während ich einige Wochenstunden Geldscheine aufsammle, die ebenfalls nötig sind um Da zu sein. Durch ihn sind wir anders da, das ist Familie, begreife ich.
Ich schreibe ein Logbuch, um einiges davon festzuhalten, die geliebten Schnappschüsse, Polaroids von täglichen Errungenschaften, Gefühlshöhen und Tiefen, je nach Wind und Wetterlage, die Höhen der Wellen, auf denen wir schaukeln und segeln. Es ist kein Romantikbewerb, kein Prestigeprojekt. Es lässt die dargestellte Außenwelt vergessen, die seltsamen Propagandakonstrukte. Familienkunst, das ist die Skulptur, an der wir arbeiten, die wir formen, in Gesellschaft und privat, wir sind ein kleiner Kernkristall in einem unsteten Gefüge von Freiheit und Verwirklichung.

*Der Titel stammt von dem gleichnamigen Buch von Horst Biernath aus dem Jahr 1953.